Fazit Au Pair Jahr

Oft werde ich gefragt, ob sich das Au Pair Jahr wirklich gelohnt hat, oder ob ich im Nachhinein lieber sofort mit dem Studium angefangen hätte.

 

Ich hatte ein Jahr voller Höhen und Tiefen, viel gelacht, aber auch Tränen vergossen. Ich habe meinen Horizont erweitert, neue Leute kennen gelernt, meine Sprach- und Menschenkenntnisse verbessert, eine andere Kultur entdeckt, viel Spaß gehabt, aber auch mal keine Lust auf die Arbeit gehabt.

Au Pair sein ist kein Zuckerschlecken. Je nach Familie, arbeitet man 45 Stunden die Woche, hat 1,5 Tage frei und jeden Monat mind. ein komplettes Wochenende. Das ist verdammt viel Arbeit! Das sollte man nicht unterschätzen.
Natürlich gibt es auch einige Au Pairs, die höchstens 20 Stunden die Woche arbeiten, das ist aber nicht der Normalfall!
Au Pair sein ist ein Full time Job. Man muss den Tagesablauf organisieren, Haushalt schmeißen und auf die ganzen Zwischenfälle, die im Alltag mit Kindern auftreten, vorbereitet sein. Zwischen Frühstück vorbereiten, Zähne putzen kontrollieren, Windel wechseln, Streithähne auseinander halten, umgeschüttete Milch aufwischen, Heulattacken überleben, sollte man noch möglichst gut gelaunt sein und immer die Zeit im Auge behalten, man möchte die kleinen süßen Quälgeister ja nicht zu spät in der Schule abliefern.
Ich liebe meine Hostkids, und auch meine Freunde haben ein super Verhältnis zu ihren Hostkids. Wenn wir aber off und unterwegs sind und dort Kindergeschrei ist, fallen schon mal Sätze wie „Och ne, schon wieder Kinder!“

Das schwierige am Au Pair sein ist das Abschalten! Du bist eigentlich 24 Stunden, 7 Tage die Woche auf Arbeit (klar verbringt man seine Freizeit nicht nur zu Hause, aber mal hart ausgedrückt) Normalerweise verlässt man nach Feierabend die Arbeitsstelle, nicht als Au Pair.

 

Jeder wünscht sich Teil der Gastfamilie zu sein. Ich würde sagen, bei meiner Gastfamilie hat es zu 65% geklappt. Ich kann mich super mit meinen Gasteltern unterhalten, wir machen Späße, aber es gibt auch Dinge, die einfach nicht so laufen, wie ich mir das vorgestellt habe.
Das sind meistens Kleinigkeiten, jeder tickt eben anders und in jeder Familie geht es anders zu!

 

Wenn mich jemand fragt, wie ich amerikanische Kinder beschreibe lautet meine Antwort wie folgt: Verwöhnt und unselbständig! Jede Woche gibt es neue Spielsachen, den 6-jährigen muss man noch den Hintern abwischen etc.
Mir tun die Kinder Leid, denn die können nichts dafür. Ihre Eltern sind einfach super ängstlich. Überall lauern Gefahren. Ich bin mit 5 Jahren alleine in den Kindergarten gelaufen (inklusive Straße überqueren), bin mehrmals im Supermarkt „verloren“ gegangen, hab die 5 Minuten während meine Mama bei der Bank/Bäckerei war im Auto gesessen (ganz allein) und, oh Wunder, ich lebe noch!
Hier gibt es Kinder, die mit 12, ja sogar mit 15 Jahren, noch ein Au Pair haben. Als ich in dem Alter war, haben beide meiner Eltern Vollzeit gearbeitet. Ich bin weder verhungert, noch ist mir die Decke auf den Kopf gefallen, denn ich habe meine Playdates selber organisiert und bin mit dem Fahrrad zu Freunden gefahren. Bevor es Dunkel wurde, bin ich wieder nach Hause. Amerikanische Kinder wissen nicht einmal, was ein Fahrrad ist…
Einmal hat D. vorgeschlagen, am Wochende in den Spielzeugladen zu gehen. Daraufhin meinte meine Gastmutter, dass es doch eine gute Idee sei. Es stand weder Weihnachten, noch ein Geburtstag an.
Aber an sich gehört meine Gastfamilie zu den wenigen, bei denen es klare Regeln gibt, ohne die ich schon längst das Weite gesucht hätte!
Ich darf die Kids ins Time out in ihr Zimmer schicken, ich muss ihnen nicht alles hinterher tragen, bzw. darf das gar nicht (gibt Au Pairs die müssen alles machen, was die Kids wollen).
Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt.
Der größte Unterschied zwischen mir und meinen Gasteltern ist, ich bin um Welten konsequenter. Wenn ich ein iPad-Verbot für einen Tag gebe, dann ist das so. Meine Gasteltern wissen das auch ganz genau und ich bin froh, dass sie mir da nicht reinreden. Wenn sie zu Hause sind und die Kids mich z.B. fragen, ob sie Fernsehen dürfen und ich „Nein“ sagen, würden sie niemals vor den Kindern „Ja“ sagen. Manchmal sagen sie dann eher zu mir, dass sie nichts dagegen hätten, ich das aber entscheiden darf.

 

Deutsche sind unfreundlich, Amerikaner sind freundlich. Diese Aussage findet man immer und überall.
Was ist euch lieber? Unfreundlicher und ehrlich oder freundlich und unehrlich? Ich würde mich für Ersteres entscheiden. „Hey Sweetie, how are you?“ – in einer überdurchschnittlich hohen Stimme bekommt man diesen Satz mehrmals am Tag zu hören.  Die Amerikaner sind überfreundlich, man fühlt sich im ersten Moment geschmeichelt, dabei meinen sie es gar nicht so. Wenn dich dagegen in Deutschland jemand fragt, wie es dir geht, dann weißt du, derjenige hat ernsthaftes Interesse und meint es ehrlich.
Meiner Meinung nach ist dieses „Hey – how are you“ sowieso die größte Zeitverschwendung. Auch nach einem Jahr geht es mir total auf die Nerven.
Beispiel: Mein Gastvater ruft mich von der Arbeit aus an, um mir irgendwas Wichtiges mitzuteilen. Da er auf der Arbeit ist, hat er sowieso kaum Zeit zu telefonieren. Aber er hält erst mal Smalltalk, statt gleich zur Sache zu kommen. Super nervig und es kostet ihn und mich Zeit!

Ich merke gerade, dass klingt alles so negativ. Dabei ist das nicht meine Absicht. Die USA ist ein super tolles, faszinierendes Land! Ich könnte mir gut vorstellen, noch für ein paar Jahre hier zu leben. Nicht für immer, aber ein paar Jahre wären schön.

 

In letzter Zeit denke ich immer wieder an den 14. Juli 2014 zurück – den Tag meiner Ausreise. Tränenüberströmt hab ich mich von meinen Lieben am Stuttgarter Flughafen verabschieden und bin durch die Sicherheitsschleuse und hab mich tausendmal umgedreht, bis ich meine Familie nicht mehr sehen konnte. Auf dem Flug nach London ging es mir ganz gut und in London war alles so hektisch, dass keine Zeit blieb, um traurig zu sein.
Erst auf dem langen Flug von London nach NYC krampfte sich mein Magen zusammen. Ich saß neben zwei weiteren Au Pairs und wir haben uns über unsere Gedanken und Gefühle ausgetauscht. Wir alle wollten zurück nach Hause. Ich hab mich gefragt, wieso ich das alles mache. Wieso ich alleine in ein fremdes Land, zu einer Familie, die ich über Skype und E-Mails kenne, gehe. Wieso ich mein zu Hause, mein geregeltes Leben, verlasse.
Ich glaube die Antwort kann man in meinem Blog nachlesen. Ich hatte das aufregendste Jahr meines Lebens. Ich bin selbstständiger, zielorientierter, verantwortungsbewusster, spontaner, offener und glücklicher geworden! Die Tiefen, die ich durchgemacht habe, haben mich nur stärker gemacht. Im Endeffekt bin ich froh, dass nicht alles „perfekt“ gelaufen ist, wie man es sich anfangs vorstellt. Denn im Leben läuft eben nicht alles, wie gewünscht.

An dieser Stelle möchte ich mich bei allen bedanken, die mich in diesem Jahr so unglaublich unterstützt haben. Ich bin meinen Eltern, meiner Familie und meinen Freunden in Deutschland so dankbar für die ganze Unterstützung in jeglicher Form.
Wichtig in diesem Jahr waren auch meine Maplewood-Mädels, die für mich wie eine zweite Familie geworden sind. Ich bin so unglaublich froh, sie zu haben und freue mich auf die weiteren Erlebnisse zurück in Deutschland.

Mein Auslandsjahr hat mich enorm geprägt, ich kann gar nicht oft genug sagen, wie froh ich bin, diesen Schritt gemacht zu haben.
Ich bin stolz auf mich, dieses Jahr durchgezogen zu haben, auch wenn ab und an mal dunkle Wolken am Himmel waren. Denn nur wer gegen die Wolken kämpft, wird den strahlenden blauen Himmel mit all den schönen Momenten genießen können.

Morgen in aller Früh steige ich in den Flieger.
Mein Reisemonat beginnt, und das bedeutet leider auch, mein Au Pair Jahr ist zu Ende!

Ich werde die letzten Tage auf meiner Reise in vollen Zügen genießen, denn ich habe hart dafür gearbeitet. Ob ich mich während meinem Reisemonat melde, kann ich nicht garantieren. Vielleicht schaffe ich es in Deutschland, noch einen Blogartikel darüber zu schreiben, ich möchte allerdings nichts versprechen. Wer aber Lust hat, Bilder zu sehen, kann das auf Facebook machen oder mir auf Instagram folgen (ver_enaaaaa)

Das Areitshandy bekommt das neue Au Pair, somit bin ich auf der amerikanischen Nummer nicht mehr erreichbar. Daher habe ich mir für den Monat eine Simkarte gekauft, damit ich auch telefonieren kann. Die Nummer gibt es per Nachfrage, wobei das nur für Leute in den USA interessant ist. Whatsapp läuft weiterhin über meine deutsche Nummer.

Macht’s gut und falls ich mich nicht mehr melde, man sieht sich in Deutschland!


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